Karfreitag

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern

des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,

so nehmen wir ihn dankbar, ohne Zittern

aus deiner guten und geliebten Hand.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist mit uns am Abend und am Morgen

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Liebe Gemeinde, liebe Mitmenschen,

heute möchte ich an Dietrich Bonhoeffer erinnern.

Gestern vor 75 Jahren wurde er in den Morgenstunden im Konzentrationslager Fkossenbürg erhängt, verbrannt und seine Asche im Wind verstreut. Er wurde 39 Jahre alt. Als Mitwisser des Attentats vom 20. Juli 1944 erfolgte dies auf persönlichen Befehl von Adolf Hitler. Zumindest die Namen derjenigen, die am gleichen Tag in Flossenbürg aus dem gleichen Grund erhängt wurden, sollen heute hier erwähnt werden:

Admiral Wilhelm Canaris, Hauptmann Ludwig Gehre, Generalmajor Hans Oster, General Friedrich von Rabenau, Generalstabsrichter Dr. Karl Sack und Hauptmann der Reserve Dr. Theodor Strünck.

Dietrich Bonhoeffer ist vielen bekannt geworden durch sein Gedicht „Von guten Mächten“, aus dem die beiden oben zitierten Verse stammen. Es hat nach meiner Ansicht den Psalm 23 etwas als Trosttext abgelöst, zumal Siegfried Fietz eine leicht eingängige Melodie dazu komponiert hat.

Es ist vermutlich der konsequente Lebensweg, der bereit war, dafür auch den Tod auf sich zu nehmen, der ihn zu einem überzeugenden Menschen, Theologen, Christen und Zeitgenossen macht. Schon früh hatte er die Gefahren erkannt, die die Naziherrschaft mit sich brachte. So hat er einen Tag nach der sogenannten Machtergreifung Hitlers in einem Rundfunkvortrag gewarnt, dass der Führer sehr schnell zum Verführer werden kann. Seine Bücher wurden verboten, das Ausbildungszentrum für die Pfarrerausbildung, das er leitete von den Behörden geschlossen und er im April 1943 verhaftet.

Ebenfalls getötet wurden wegen Beteiligung im Widerstand sein Bruder Klaus, seine Schwäger Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher. Ein anderer Schwager, Gerhard Leipholz, musste als jüdischer Staatsbürger nach London emigrieren, mit seiner Frau, Dietrichs Zwillingsschwester Sabine. Leipholz wurde 1951 ans Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe berufen.

Was andere Theologen als Bedrohung betrachteten, verstand Dietrich Bonhoeffer als Gewinn: eine Deutung der Welt, als ob es Gott nicht gäbe. Denn sie befreite Gott davon, als Lückenbüßer eingesetzt zu werden für die Fragen, die einstweilen mit Hilfe der menschlichen Vernunft noch nicht zu beantworten waren. Die Entdeckung der Gesetze, nach denen die Welt in Wissenschaft, Gesellschafts- und Staatsleben, Kunst, Ethik, Religion lebt und mit sich selbst fertig wird – so schreibt Dietrich Bonhoeffer aus dem Gefängnis in Tegel an seinen Freund Eberhard Bethge – ist in unsrer Zeit zu einer gewissen Vollständigkeit gekommen. Der Mensch hat gelernt, in allen wichtigen Fragen mit sich selbst fertig zu werden ohne Zuhilfenahme der ‚Arbeitshypothese Gott’. Die dadurch nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft erschlossene Mündigkeit ist, so macht Bonhoeffer deutlich, ernst zu nehmen. Doch sie führt gerade nicht dazu, dass der Glaube preisgegeben wird oder dass er sich in die Innerlichkeit zurückzieht. Im Gegenteil: Gerade angesichts der Mündigkeit des Menschen ist der Glaube ernst zu nehmen, und zwar nicht als ein abgegrenzter Bereich im menschlichen Leben, als ein Reservat der Frömmigkeit am Sonntagmorgen, als ein Gefühl im Innern der Person, sondern als Lebensakt.

Er verdeutlicht das an einer biblischen Geschichte, an der Szene, in der Jesus im Garten Gethsemane mit seinem Geschick ringt. Dort sehen wir den einsamen, zu Gott betenden Jesus – aber nicht wie ich will, sondern wie du willst -, dort sehen wir den, der die Ohnmacht dieser Welt auf sich nimmt, in der er rufen wird: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Dort sehen wir den, der diese Gottverlassenheit schon darin vorwegnehmen muss, dass ihn seine Schüler verlassen: Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?

Gott begegnet uns in Jesus Christus eben nicht als ein Lückenbüßer-Gott, sondern als der Gott der Liebe, der unserem ganzen Leben die Richtung weist, indem er am Leiden dieser Welt teilnimmt und so für uns und andere da ist. Dazu ist das Kreuz auf Golgatha der tiefste Ausdruck.

Dem Dasein Christi für andere, so Bonhoeffers Überzeugung, entspricht unsere Bereitschaft zum Dasein für andere. In ihm verstehen wir Verantwortung eben nicht nur als Vorsorge für das eigene Leben, sondern ebenso als Fürsorge für andere Menschen. „Nicht wie ich mich selbst heroisch aus der Affaire ziehe, sondern wie eine künftige Generation leben kann“, lautet Bonhoeffers Leitfrage.

Es ist dieser konsequente Blick in die Zukunft, in der Gott immer wieder und immer noch und neu da ist, der das Erbe Dietrich Bonhoeffers für uns so wertvoll macht, gerade auch in schwieriger Situation wie an Karfreitag 2020. Amen

Weil du von Ewigkeit her ein treuer Gott bist,

bitten wir dich um Frieden für dein Volk Israel

und rufen dich an für deine Kirche in aller Welt,

dass sie dein Wort ohne Furcht sagt,

dass sie sich nicht verführen lässt von Ehre und Einfluss,

dass sie den verunsicherten Gewissen hilft,

dem Wahnsinn und der Gewalt auf Erden

mit deiner Wahrheit entgegentritt.

Weil du von Ewigkeit her ein gerechter Gott bist,

rufen wir dich an für alle,

die Verantwortung tragen

in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft,

in Familie und Schule,

dass sie dem Leben dienen

und nicht dem Tod,

dass sie ihre Grenzen erkennen.

Weil du von Ewigkeit her ein barmherziger Gott bist,

rufen wir dich an für alle Menschen in Not:

für die Armen und Arbeitslosen,

für die Hungernden und Gefangenen,

für die, die unter Krieg und Terror leiden,

dass sie Gerechtigkeit erfahren

und Frieden finden.

Weil du von Ewigkeit her ein tröstender Gott bist,

rufen wir dich an für alle, die leiden:

für die Verbitterten und Verzweifelten,

für die Kranken und Sterbenden,

dass sie Menschen finden,

die sie verstehen und ihnen beistehen.

Lass sie dadurch deine Nähe erfahren.

Du, heiliger und gütiger Gott,

bist von Ewigkeit her unser Gott.

Weil du uns für dein ewiges Reich erwählt hast,

rühmen und loben wir dich,

mit allen Geschöpfen auf dieser Erde.

Amen

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