Judika
Jesus hat, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor.
So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen.
Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
Hebräer 13,12-14
Liebe Gemeinde, liebe Mitmenschen,
von welchem Lager schreibt der Verfasser des Hebräerbriefes?
Wir kennen Zeltlager, ein Lager, um Waren aufzubewahren oder Trainingslager.
Wir sehen Bilder von Flüchtlingslagern auf der Insel Lesbos oder in Syrien, lesen von Umerziehungslagern für Uiguren in China und am moralisch tiefsten Punkt in der deutschen Geschichte rücken Konzentrationslager in den Blickpunkt, die für Millionen von Menschen Vernichtungslager waren, in denen sie fabrikmäßig ermordet wurden.
Wer dem Lager, von dem der Hebräerbrief schreibt, auf die Spur kommen will, wird im ersten Teil unserer Bibel fündig. Dort wird unter anderem vom Weg des Volkes Israel in das von Gott versprochene Land berichtet.
Im 3. Buch Mose 16 wird vom großen Versöhnungstag erzählt und was an ihm zu tun ist. In Vers 27 und 28 lesen wir: den jungen Stier und den Bock vom Sündopfer, deren Blut in das Heiligtum zur Entsühnung gebracht wurde, soll man hinausschaffen vor das Lager und mit Feuer verbrennen samt Fell, Fleisch und Kot. Und der sie verbrennt, soll seine Kleider waschen und sich mit Wasser abwaschen und erst danach ins Lager kommen.
Manche Menschen, die den Hebräer als erste lasen, haben dabei bestimmt an Jesus gedacht. Auch er wurde ja draußen, vor den Toren Jerusalems, wie ein Sündopfer umgebracht.
Andere mögen damals eingewendet haben: Mich erinnert das viel eher an das 2. Buch Mose. Dort wird vom Zelt des Zusammentreffens mit Gott, der Stiftshütte erzählt. Sie errichtet Mose, so der Bibeltext, „draußen fern vom Lager“.
Beide Spuren setzen uns heute auf Gedankenwege, die uns helfen können, über den zeitlichen Graben hinweg, im Jahr 2020.
In diesem müssen wir uns seit einigen Wochen mit dem Corona Virus und seinen Folgen befassen und uns mit ihnen abfinden. Das bestimmt aktuell unseren Alltag und drückt ihm seinen Stempel auf. Eine Folge ist, dass wir uns nicht mehr zum Gottesdienst versammeln können. Das schmerzt einige unter uns. Das 2. Buch wirft die Frage auf: Wo wohnt Gott? Im Lager, in der Stiftshütte oder wo? Die Antwort lautet: bei den Menschen. Die Hütte Gottes ist ein Zelt, das mit den Menschen umherzieht, bei ihnen bleibt und mitten unter ihnen ist. Auch wenn das Kirchengebäude geschlossen bleiben muss, sind wir Gott nicht los, sind wir nicht gottlos, weil Gott mitten unter ist und bleibt.
Und Gott bleibt auch da bei uns, wo das Leben uns weh tut, wo Menschen verletzt werden oder unter Lasten zusammenzubrechen drohen. Wo Menschen in Lagern gequält, gefangen gehalten und ihrer Menschlichkeit beraubt werden sollen. Gerade ihnen gilt Gottes Treue.
Elie Wiesel, schreibt als ehemaliger Insasse eines KZs in seinem Buch „Die Nacht“: „Wo ist Gott, wo ist er?“ fragte jemand hinter mir… Auf ein Zeichen des Lagerchefs kippten die Stühle um. Die beiden Erwachsenen lebten nicht mehr. Aber der dritte Strick hing nicht leblos, der leichte Knabe lebte noch. Mehr als eine halbe Stunde hing er so und kämpfte vor unseren Augen zwischen Leben und Sterben seinen Todeskampf. Hinter mir hörte ich denselben Mann fragen: „Wo ist Gott?“ Und ich hörte eine Stimme in mir antworten:
„Wo er ist? Dort hängt er, am Galgen...“
Der Hebräerbrief zeigt uns, dass durch Jesus Christus Zusage Gottes, mitten unter den Menschen zu sein und zu bleiben, auch uns gilt. Den Segen, den Abraham für alle Völker darstellt, nimmt Jesus auf und wird darin von Gott bestätigt. Das gilt, heute und auch in der Zukunft. Zu dieser zukünftigen Stadt, so der Hebräerbrief, sind wir gemeinsam unterwegs.
Bleiben Sie gesund und Gott befohlen. Amen
Treuer und barmherziger Gott! Du gibst Zuversicht, wenn sich in uns Unsicherheit breitmacht. Du bist uns nahe, wenn wir auf Distanz zueinander gehen müssen. Du hältst uns in deiner Hand, wenn wir den Halt zu verlieren drohen. Zu dir kommen wir mit unseren Sorgen und Ängsten, aber auch mit unserer Hoffnung auf deine Hilfe. Zu dir kommen wir im Wissen darum, dass wir nicht alleine zu dir beten, sondern getragen sind von der großen Gemeinschaft aller, die dir und deinem Wirken vertrauen.
Wir bitten dich: für alle Menschen, die sich mit dem Corona-Virus angesteckt haben und erkrankt sind; für alle Angehörigen, die in tiefer Sorge sind und nach Halt suchen; f ür alle Verstorbenen und für die, die um sie trauern; für alle, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben und um ihre Existenz fürchten; für alle, die sich überfordert fühlen. Sei ihnen allen nahe und schenke ihnen Heilung, Trost und Zuversicht, den Verstorbenen aber schenke das Leben in deiner Fülle.
Wir bitten dich: für alle Ärztinnen und Ärzte, für alle Pflegenden in den Kliniken, Seniorenheimen und Hospizen; für alle, die Verantwortung tragen in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft; für alle, die uns Tag und Nacht mit dem versorgen, was wir zum Leben brauchen; für alle, die ehrenamtlich Familien sowie alten und gesundheitlich beeinträchtigten Menschen helfen; für alle Seelsorgerinnen und Seelsorger, die den Menschen Gottes Frohe Botschaft zusagen. Sei auch ihnen nahe und schenke ihnen Kraft, Mut und Zuversicht.
Auch bitten wir dich für uns selbst: Lass uns trotz aller Sorge um das eigene Wohlergehen den Blick für die anderen nicht verlieren und ihnen nach Kräften beistehen. Stärke in uns die Bereitschaft, Einschränkungen in Kauf zu nehmen, und lass uns so das Unsere dazu beitragen, dass andere Menschen nicht gefährdet werden. Erhalte in uns die Hoffnung auf dich, unseren Herrn und Gott, der uns tröstet wie eine liebende Mutter und der sich aller Kranken und Not Leidenden annimmt. Dir vertrauen wir uns an. Dich loben und preisen wir, heute und alle Tage unseres Lebens bis in Ewigkeit. Amen.
Wenn Sie möchten, können Sie jetzt ein Vaterunser beten.